
body-structures
Viele träumen vom idealen Körper, doch wer hat den schon? Gibt es überhaupt Leute, die sich in ihrer eigenen Haut wohl fühlen, sich attraktiv finden? Oft sind es gerade die ziersamen Spuren auf unserer Haut die unsere Schönheit ausmachen. Sie erzählen uns Geschichten der Menschen die in ihr wohnen.

BODYSTRUCTURES
Körperideale begleiten unseren Alltag und beeinflussen unsere Selbst- und Fremdwahrnehmung. Viele träumen vom idealen Körper, doch wer hat den schon? Gibt es überhaupt Leute, die sich in ihrer eigenen Haut wohl fühlen, sich attraktiv finden?
Ist der Inbegriff von Schönheit tatsächlich eine glatte Oberfläche? Sind nicht viel mehr die ziersamen Spuren und Muster auf unserer Haut, die uns Geschichten der Person erzählen, die in ihr wohnen, das was Schönheit ausmacht.
Für das Projekt „Bodystructures“ startete ich einen Aufruf über Facebook. Innerhalb kürzester Zeit meldeten sich rund 150 Menschen (fast ausschließlich weiblich) bei mir, die mir großteils nicht nur mit meinem Projekt helfen wollten, sondern nach einem Sprachrohr suchten und zusammen mit mir, ein Zeichen setzen wollten. Mag sein, dass diese Serie nicht mehr als ein Tropfen auf dem heißen Stein bleibt. Aber vielleicht, für diesen einen Moment der Betrachtung, kann sie einen kleinen Gedankenanstoß geben und uns verstehen lassen, dass Schönheit mehr als nur auf eine bloße Oberfläche reduzierbar ist.

NARBEN MACHEN UNS ZU DEM DER WIR SIND
Ich finde dieses Zitat passt gut bei einem kleinen Strich am Knie, einer blitzförmigen Narbe auf der Stirn oder vielleicht einer metaphorischen Verletzung. Das sind Narben auf die man stolz ist.
Aber was ist mit einem verbrannten Arm, einem entstellten Gesicht? Ist das nicht eine ganz andere Kategorie von Narben? Vielleicht hat einen die Erfahrung die damit in Zusammenhang steht persönlich weiter gebracht, aber dieses sichtbare Überbleibsel stört manchmal mehr „wer man ist”, als es zu unterstreichen. Oft symbolisiert es sogar eher „wer man war“.
In meinem Fall rufen die Narben auf meinem Arm Assoziationen hervor, die es mir eher erschweren mein heutiges Ich zu sein. Sie stammen aus schlechten und traurigen Zeiten, und solche Zeiten können für die Entwicklung hilfreich sein, aber wer will schon seine Vergangenheit auf sich geschrieben haben, so dass sie jeder sehen kann (inklusive man selbst)?
Mit Narben die durch Selbstverletzung entstanden sind wird einem immer wieder mit Vorurteilen begegnet. Ein verständnisloses „Hams eana selbst verstümmelt?“ habe ich dabei genauso gehört wie ein mitleidiges „Oh Gott, du Arme!“ oder „Was machst du für einen Blödsinn!? Hör auf damit.“ . Und dann gibt es auch Leute, denen es komplett die Sprache verschlägt.
Nicht jeder weiß, wie er damit umgehen soll, und je nach betroffener Person variiert die erwünschte Reaktion (oder deren Ausbleiben) wohl auch. Mir fällt es selbst schwer diese Narben zu akzeptieren und sie in mein Körperbild zu integrieren, weil sie nicht einfach ein natürlicher Teil meines Körpers sind, sondern ein vermeintlicher Makel für den ich selbst verantwortlich bin (auch wenn ich zu der Zeit nicht bei „gesundem“ Verstand, mitunter ohne Zukunftsperspektive - und damit ohne Gedanken an die Folgen meiner Handlungen -, gehandelt habe).
Vielleicht “überschreibe” ich meine Narben mit einem Tattoo, so wie man Erinnerungen durch neue ersetzt und die alten in den Hintergrund treten lässt. Ganz entfernen kann ich sie nicht, aber ich kann sie so verzieren, dass sie nur diejenigen sehen, die genauer hinschauen. Dann kann ich selbst entscheiden wer davon erfährt, und wer nicht.


MEINE LANDKARTE
Muttermale hat fast jeder, die einen mehr, die anderen weniger.Meine Muttermale wurden im Laufe der Jahre immer mehr. Irgendwann kam der Zeitpunkt, an dem sie mich zu stören begannen. Ich dachte mir ständig: „Was denken sich die Leute?“, „Wie fühlt sich das für andere an, wenn sie meine Haut berühren?“, „Bin ich attraktiv genug?“… Ständig mit Schönheitsidealen konfrontiert, wünsche ich mir oft eine glatte, weiche Haut. Obwohl ich meine Muttermale gut vor der Umwelt verbergen konnte, wurde ich natürlich auch schon darauf angesprochen. „Du, das kann man sich entfernen lassen…“.
Kinder nehmen solche Besonderheiten ganz anders wahr.... meine Tochter zählte sie mit Begeisterung, bis es so viele waren, dass sie nicht mehr zu zählen waren. Ja, Mama hat eben viele „Motomale", wie sie die kleinen braunen Punkte als Kind bezeichnete. Ich habe meine Muttermale an meine Kinder weiter vererbt. Allein deshalb ist mir klar, dass ein guter und natürlicher Umgang von mir, mit diesem Thema wichtig ist.
Ich will mir meine Muttermale nicht entfernen lassen, wenn es nicht sein muss. Inzwischen habe ich sie als einen Teil von mir akzeptiert und lieben gelernt. Sie sind meine Landkarte des Lebens, die sich ständig verändert. Für mich hat es lange gebraucht meinen Körper so zu akzeptieren wie er ist. Dabei, hatte es vielleicht auch etwas Gutes älter, erfahrener und gelassener zu werden….Nein, nicht vielleicht. Ganz sicher!



INNER BEAUTY
It all happened in August 2011, after my vacation in the Philippines. I felt very weak, had head aches and dizziness. Nevertheless I had to work in the post office, night shift duty, ignoring how I felt. You see, I'm a workaholic and I love what I'm doing. Then the night of October 3rd, still working in the post office, I felt terribly ill, so that they had to call the ambulance and I was admitted to hospital for one month. Two weeks after that, while I was sitting, I felt my ankle hurt so much, that I almost cried every time I moved. It was swollen as big as a tennis ball. I thought it might be gout, but as time passed by it was getting bigger and the swollen part moved below my knee. I couldn’t sleep that night because I couldn’t bear the pain, so I got back to the hospital. After seeing my lab test, they admitted me immediately.
The next thing I know ist, them taking me to the surgery room. I woke up in ICU, with tubes all around my feet and legs. They told me I had a flesh eating bug bacteria and that I was lucky to be alive, because it was spreading near my thigh and that they almost wanted to amputate my whole leg. If it would have spread on my organs I would have died. I stayed in ICU more than one month and was hospitalized for almost a year. They said that I maybe got the bacteria from the flood in the Philippines. I didn't have any wounds before it all happened.
At first it all was very hard for me to accept, every time I looked at my leg, I felt very ugly. Even my grandchildren were afraid of it before. But as time goes by, I learned to live a normal life again, despite the fact that I have been sitting in a wheelchair for two years and that I can barely walk now.
Do I feel beautiful? Yes I feel beautiful again and every time people ask me about it, I'm telling them my story just to create awareness.



MEINE BREMSSPUR
Sommer 2016, Schmerzen im Unterleib: 15cm große Zyste mit einem Tumor von 4cm Durchmesser an den Eierstöcken. Vor 10 Jahren hatte ich bereits einen gutartigen Tumor in der Blase. Diesmal war die OP mit dem senkrechten Schnitt die unkompliziertere Lösung, kam rechtzeitig zum Burnout und bremste mich für Monate aus. Mittlerweile stört mich die Narbe nicht mehr. Im Gegenteil, sie erinnert mich daran, auf mich zu achten. Ich trage sie jetzt mit Stolz und ich finde meinen Bauch trotzdem noch schön.



EIN SCHRITT
Schon immer war ich ein aktiver Mensch, der liebt was er tut. Nach einem Tag im Freibad, vor vier Jahren, wurden mir mit einem Schlag, viele dieser Freiheiten geraubt. Wie aus dem Nichts, raste ein Rettungswagen, der die Kontrolle verloren hatte, auf meine Familie und mich zu. Sekunden vergingen in denen alles still war… Als ich wieder zu mir kam, realisierte ich, dass der Wagen mich mitgeschliffen und meinen Fuß stark verletzt hatte. Eine schwere Operation zur Wiederherstellung meines Fußes folgte. Die Wochen im Krankenhaus erschienen endlos und das darauffolgende Jahr verbrachte ich im Rollstuhl.
Heute habe ich einen, aus meinem Rücken transplantierten Muskel am Fuß, sowie Haut meines Oberschenkels als Sohle. Meine Familie blieb, Gott sei Dank, mehr oder weniger unversehrt. Ohne sie, meine christliche Gemeinde und Gott hätte ich es nicht geschafft. Die Meisten wissen nicht wieso mein Fuß so aussieht, dass ich große Schmerzen habe und mir das Gehen Schwierigkeiten bereitet. Ich kann nichts dafür, dass er so aussieht, und leide darunter, dass Menschen mich rempeln und mit Spott und Gelächter auf meine Verletzung reagieren. Oft war ich verzweifelt, aufgrund dieser Grausamkeiten. Ich habe es satt, angeglotzt zu werde als wäre ich eine Aussätzige.
Ich möchte ein Zeichen setzen und dazu auffordern, entstellte Menschen nicht auszulachen oder zu verspotten, schließlich kennt man ihre Geschichte nicht. Die Schönheit der Seele erkennt man nicht an Äußerlichkeiten.



ANDERS SEIN
Meiner Mutter kommt aus Nigeria, mein Vater aus Österreich: Ich bin also ein Mischling und wurde mit karamellfarbener Haut geboren. Noch als ich ein Kind war, begannen sich weiße Flecken auf dieser zu bilden. Eines Tages war sie dann komplett Weiß.
Als ich ungefähr sechs Jahre alt war, entwickelten sich, aufgrund von Sonneneinstrahlung, wieder dunkle Flecken auf meiner Haut, die größer wurden. Als Kind wurde ich manchmal als Milka- Kuh verspottet und von Menschen angestarrt. Damals konnte ich noch nicht verstehen, dass es sich um eine Hautkrankheit (Vitiligo) handelt und ich habe mich nicht anders als die anderen gefühlt. Im Laufe der Zeit habe ich gelernt mich selbst zu lieben wie ich bin, habe begonnen zu modeln und mich mit meinem Körper zu befassen.
Heute begegnen mir Menschen mit Toleranz oder sind sogar fasziniert von meiner Haut. Zwar gibt es immer wieder Leute die mich komisch anstarren aber ich empfinde das als halb so schlimm. Ich liebe es einfach anders zu sein! Meine Haut verändert sich ständig, das ist ein Teil meines Lebens und ich liebe diesen Teil sehr. Ich liebe es meine Haut zu beobachten, freue mich über neue „Makel“ und habe sogar meine Lieblingsflecken, die wie ein Tattoo meine Haut schmücken.



INNERE LEERE
Zehn Jahre ist es nun schon her, dass ich damit begonnen habe mich selbst zu verletzen. Mein Leben war alles andere als einfach und Gründe gab es viele: mein gewalttätiger Vater, meine narzisstische Mutter, meine mich mobbenden Mitschüler,… Mir sind viele Dinge passiert. Dinge über die es mir teilweise nicht möglich ist, hier zu berichten.
Aufgrund des Mobbings und der Ablehnung durch meine Familie, hatte ich Angst und spürte eine innere Leere, also begann ich vor Frust zu essen. Das beruhigte mich zwar ein wenig, doch die Leere konnte ich damit nicht füllen. Also begann ich mich selbst zu hassen und zu verletzen. Ein Teufelskreis setzte sich in Bewegung: durch das Essen nahm ich zu, was noch mehr Grund für meine Mitschüler war mich zu verspotten. Nächtelang lag ich wach und weinte. Ich zog mich immer mehr zurück und sprach mit niemanden über meine Gefühle und Ängste.
Auch heute noch habe ich immer wieder Ängste oder gar Suizidgedanken. Bereits seit mehreren Jahren bin ich nun in Therapie und medikamentös eingestellt, doch meine Vergangenheit ist nichts, das ich einfach aus meiner Erinnerung löschen kann, ich muss lernen mit ihr zu leben.
In den letzten Jahren bin ich stärker geworden. Es gibt Tage, an denen ich mich gut fühle, stolz darauf bin, nicht aufgegeben zu haben, doch ich weiß, dass ich ohne die Menschen die an mich geglaubt haben, nicht mehr hier stehen könnte. Es war nicht immer leicht in einem Körper, der leben will, mit einer Seele deren größter Wunsch ist endlich zur Ruhe zu kommen. Es war nicht meine Schuld, wie andere mich behandelt haben. Ich kenne nun meinen Wert und weiß, dass ich verdient habe gesund, frei und glücklich zu sein, so wie wir uns das alle verdient haben.



MEINE LEBENSNARBE
Ich wurde im Dezember 1984 mit einem komplexen Herzfehler geboren. Meine Familie war geschockt- hatten doch alle ein gesundes, kleines Mädchen erwartet. Kein Anzeichen hatte es zuvor gegeben. Zehn Monate später, nach vielen Aufenthalten im Spital, vielen Sorgen, aber bestimmt auch vielen Momenten voll Glück, war der große Tag gekommen: eine Operation sollte mir ein gesundes, normales Leben ermöglichen. Die Operation glückte: 8 Stunden lang korrigierten die Ärzte meinen Herzfehler, ich erholte mich und ich lebte.
Zu dieser Zeit machte ich mir natürlich noch keine Gedanken über Schönheitsideale, darüber wie ich verglichen zu anderen aussah. Im Kindergarten taufte eine Freundin meine Narbe „Zippverschluss“. Ich fand diesen Spitznamen wenig amüsant. Zu Schulzeiten änderte sich meine Sichtweise allmählich: einige Kollegen sprachen mich direkt auf meine Narbe an (und das unzählige Male), andere empfanden Mitleid, manche störten sich nicht weiter daran.
Das wiederholte Fragen lösten etwas in mir aus und plötzlich hatte ich mit meiner Narbe zu kämpfen. Diese Fragen ebneten den Weg für Zeiten, in denen ich mich anders und so gar nicht schön fühlte, weil eine große Narbe den Bereich zerstörte, der für viele Menschen eine Frau ausmacht, schön macht- die Brust. Ich fragte mich, warum genau ich keinen "normalen" Körper haben konnte, warum ich diejenige war, die nicht so aussah, wie die anderen. Doch die Zeit verging und irgendwie, irgendwann hab ich Frieden mit ihm geschlossen, denn ohne sie wäre ich nicht ich- mehr noch- ich wäre gar nicht mehr hier. Meine Narbe. Meine Lebensnarbe.























